Mittwoch, 17. Februar 2010

Ping-Prüfung bestanden!

Letzte Woche kam die gute Nachricht: Prüfung bestanden!

Lieber Herr Lewitz,

Es freut mich Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie die Prüfung bestanden haben. Sie haben insgesamt 92 Punkte erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Doris Rauh

Worum geht's?

Im Januar hatte ich die freudige Gelegenheit, bei Frau Rauh und drei weiteren Kollegen in den Räumen der 4Soft in München in die höheren Weihen der V-Modell XT Modellierung eingeführt zu werden. Ich bin jetzt zertifizierter V-Modell XT Prozessingenieur, ein sogenannter V-Modell XT Ping — und zwar einer der ersten.

Ping - das Zertifikat

Das Zertifikat V-Modell XT Ping (Zertifizierter V-Modell XT Prozessingenieur) bescheinigt das notwendige Wissen, um das V-Modell XT anzupassen, V-Modell XT Anpassungen bzgl. ihrer Konformität beurteilen und zertifizierte Ausbildungsschulungen V-Modell XT Pro(fis) durchführen zu können.

Klingt erstmal nicht so fürchterlich aufregend?

Das Vorgehensmodell

Das V-Modell XT ist ein allgemeiner Vorgehensstandard, der für die konkrete Anwendung angepasst werden kann und zumindest konkretisiert werden muss. Führt eine Organisation häufiger Projekte mit dem V-Modell XT durch, ist es sinnvoll, solche Änderungen nicht
in jedem Projekt von Neuem zu definieren, sondern gleich eine Anpassung für die gesamte Organisation vorzunehmen. Dabei stellt sich die Frage: Welche Anpassungen darf man vornehmen, wenn das Ergebnis noch als V-Modell XT erkennbar sein soll?

Die Verwendung des V-Modell XT wird insbesondere Auftragnehmern der öffentlichen Hand, z.B. bei Ausschreibungen, vorgeschrieben. Hat nun eine Firma bereits ein eigenes Vorgehensmodell, was sich vielleicht an einem anderen Standard als dem V-Modell XT orientiert, muss Sie dann in solchen Projekten ein anderes Vorgehen verwenden als das in der Firma bewährte und den Mitarbeitern bekannte? Dies würde die Qualität gefährden und die Kosten erhöhen. Wie kann also nun die Firma nachweisen, dass ihr eigenes Vorgehen den Ansprüchen des V-Modell XT genügt?

Diese Fragen beantwortet die V-Modell XT Konformitätsprüfung. Wie man eine solche durchführt und welche Kriterien dabei zu beachten und wie Vorgehensmodelle zu bewerten sind, war ein wesentlicher Teil der Schulung.

Frau Rauh und ihre Kollegin Marion Wittmann (beide von Siemens) brachten uns in zwei intensiven Tagen dieses an sich ja recht trockene Thema anschaulich näher. Sie haben es sogar geschafft, unsere Aufmerksamkeit für die vielen Details kontinuierlich aufrecht zu erhalten ;-).

Und wie verändert man das V-Modell XT?

Möchte eine Organisation das V-Modell XT an die eigenen Bedürfnisse anpassen, so steht dafür ein mit dem V-Modell XT geliefertes Open-Source-Toolset zur Verfügung. Der V-Modell XT Editor ermöglicht das vollständige Bearbeiten sämtlicher Inhalte des V-Modell XT.

Unabdingbare Voraussetzung für die Anpassung ist jedoch das Verständnis des Metamodells, in dem das V-Modell XT abgebildet ist. Hier gilt es viele Begriffe zu lernen: von Vorgehensbausteinen über Projekttypen und Projekttypvarianten bis zu Ablaufbaustein-spezifikationen und Produktabhängigkeitsbeziehungen... Die Länge der verwendeten Begriffe ist hier durchaus ein Indiz für die dahinter stehende Komplexität!

Jan Friedrich von 4Soft und Marco Kuhrmann von der TU München haben uns in der zweiten Hälfte des Kurses mit großer Begeisterung in diese Begriffs-Welt geführt und uns dabei auch die Bedienung des Editors nahegebracht. Ebenso wie bei Frau Rauh und Frau Wittmann war es sehr begeisternd, scheinbar unerschöpfliche Quellen des Wissens vor sich zu haben!

Praktisch hat mich an der Anpassung insbesondere die Möglichkeit fasziniert, über bestimmte vordefinierte Änderungs- und Erweiterungsoperationen das Modell nicht direkt bearbeiten zu müssen. Man kann die organisationsspezifischen Änderungen in einem eigenen Modell halten und diese mit Hilfe des Editors mit dem Standard-Modell zusammenführen. Das vereinfacht natürlich die Prüfung der Konformität und ermöglicht es theoretisch, seine Änderungen auch für zukünftige Versionen des V-Modell XT zu übernehmen. Ich hatte von dieser Idee schon gehört, sie aber vor dieser Schulung für graue Theorie ohne Praxisbezug gehalten — nun scheint sie mir tatsächlich sehr nützlich.

Praxisbezug

Kein Licht ohne Schatten: Bei allem Lob für die vier Lehrenden muss ich einige Kritikpunkte an der Methode und den durch den WEIT-Verein gegebenen Rahmenbedingungen anbringen:

  • Den für die Prüfung der Konformität gewählten Ansatz der Abbildung aller V-Modell XT Details auf Elemente des organisationsspezifischen Prozesses halte ich für nicht praxistauglich. Die Durchführung ist zu aufwändig, die Ergebnisse schwer vermittelbar. Der ganze Ansatz ist sehr akademisch — es handelt sich auch um eine reine Papier-Prüfung.
  • Es sind keine Möglichkeiten vorgesehen, organisationsspezifisch Teile des V-Modell XT wegzulassen, während das projektspezifisch (mit Begründung) durchaus erlaubt ist. Das widerspricht sämtlichen Bemühungen zur organisationsweiten Standardisierung. Wir haben in der Schulung einen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden, für den aber noch eine Umsetzung erforderlich ist.
  • Es gibt für den Absolventen der Schulung (den Ping) noch keine Möglichkeit, die gewonnenen und geprüften Fähigkeiten in die Praxis umzusetzen. Theoretisch könnte ich jetzt V-Modell XT Pros ausbilden, dafür müsste aber meine Firma microTOOL noch eine höhere Weihe als Organisation bekommen. Das Verfahren dafür ist aber noch nicht definiert. Für die Prüfung der Konformität gilt ähnliches. Es ist, als hätte ich einen
    Führerschein für eine neue Fahrzeugklasse erworben, deren Zulassungsverfahren aber noch nicht organisiert ist.
  • Die Tool-Unterstützung ist noch mangelhaft. Die Konformitätsprüfung ist mit Hilfe von Excel-Sheets durchzuführen, in die sämtliche Produkte, Themen, Abhängigkeiten und Entscheidungspunkte des V-Modell XT eingetippt werden müssten — diese müssen noch erarbeitet werden. Der V-Modell XT Editor ist ein gutes Experten-Tool, aber seine Usability z.B. in Sachen Konsistenzprüfung des eingegebenen Prozesses lässt stark zu wünschen übrig. Für jemanden, der nicht täglich V-Modell XT Prozesse bearbeitet, ist das eine große Herausforderung.

So ist das, wenn man zu den Ersten gehört - manches ist noch nicht ganz fertig. Ich glaube, die Prüfung der Konformität ist ein wichtiger Schritt, um einer allgemeineren Nutzung des V-Modell XT näher zu kommen. Und das Verteilen der Ausbildungsverantwortung für die V-Modell XT Pro(fis) auf mehrere Paar Schultern schafft den V-Modell XT Experten im WEIT-Verein hoffentlich etwas Luft, um das Modell für uns alle inhaltlich weiterzuentwickeln.

Fazit

Es war eine wunderbare, intensive Woche mit sehr guten Referenten und interessanten Teilnehmern. Wir haben alle viel Neues gelernt und Erfahrungen in der Prozessdefinition und -umsetzung ausgetauscht. Ein großes Lob an die 4Soft für Location und Catering und natürlich unseren vier „Lehrern": Doris Rauh, Marion Wittmann, Jan Friedrich und Marco Kuhrmann. Ich wünsche uns allen viel Erfolg beim Vertiefen der gewonnenen Einsichten!